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Keine Tarifgebundenheit des Leiharbeitnehmers für Abweichung von Höchstüberlassungsdauer erforderlich

Das BAG entschied mit Urteil vom 14.09.2022 (4 AZR 26/21 und 4 AZR 83/21) den Konflikt zweier, sich vollständig wiedersprechender Urteile des LAG Baden-Württemberg, denen jeweils die Klage eines Leiharbeitnehmers auf Feststellung eines Arbeitsvertrags zum Entleiher aufgrund Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer zugrunde lag.

Während die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg ein Arbeitsverhältnis feststellte (Urteil vom 02.12.2020 – 4 Sa 16/20), lehnte dies die 21. Kammer ab (Urteil vom 18.11.2020 – 21 Sa 12/20).

Zur Begründung seiner Ansicht führte die 4. Kammer aus, die Regelung in der Betriebsvereinbarung des Entleihers die die Ausweitung der Höchstüberlassungsdauer vorsah, sei eine Inhaltsnorm, für deren unmittelbare und zwingende Wirkung eine beiderseitige Tarifbindung erforderlich wäre, die im Fall des Klägers nicht vorhanden ist. Die Betriebsvereinbarung, sei für den Kläger nicht anwendbar. Mit Überschreitung der 18 Monate gesetzliche Höchstüberlassungsdauer sei ein Arbeitsverhältnis zustanden gekommen.

Die 21. Kammer des Landesarbeitsgerichts hingegen entschied, es handele sich um eine Betriebsnorm, die auch dann für den eingesetzten Leiharbeitnehmer gelte, wenn dieser nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sei.

Der vorsitzende Richter des 4. Senats am BAG, Prof. Dr. Treber führte in seiner Einleitung in der mündlichen Verhandlung überraschend aus, beide Ansätze seien für ein Vertragsverhältnis an dem der Leiharbeitnehmer nicht beteiligt ist, nicht passend. Der Streit, ob die Entleihervereinbarung eine Inhalts- oder Betriebsnorm sei, müsse nicht entschieden werden, vielmehr müsse der Kreis der in Frage kommenden Normen erweitert werden, um den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, mithin die Möglichkeit durch Tarifverträge der Einsatzbranche von der Höchstüberlassungsdauer abzuweichen, abzubilden. Das gesetzgeberische Ziel führe dazu, dass das Konstrukt Höchstüberlassungsdauer bzw. Befugnis der Entleiherbranche hiervon abzuweichen, lex specialis zu § 1 Abs. 1 TVG sei, sodass Leiharbeitnehmer von einem Tarifvertrag der Entleiherbranche auch dann erfasst werden, wenn sie selbst nicht tarifgebunden sind.

Der ausdrücklich erklärte Wille des Gesetzgebers wurde zum Maßstab ernannt um die vorhandenen, nicht eindeutig auf den Sachverhalt anwendbaren Normen um eine weitere zu ergänzen, mit dem Ziel die fehlende Verbindung des Dritten zum Tarifvertrag des Entleihbetriebs, zu überwinden.

In der Pressemitteilung des BAG Nr. 37/22 heißt es insoweit: „Bei § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG handelt es sich um eine vom Gesetzgeber außerhalb des Tarifvertragsgesetzes vorgesehene Regelungsermächtigung, die den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche nicht nur gestattet, die Überlassungshöchstdauer abweichend von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG verbindlich für tarifgebundene Entleihunternehmen, sondern auch für Verleiher und Leiharbeitnehmer mittels Tarifvertrag zu regeln, ohne dass es auf deren Tarifgebundenheit ankommt.“

Im Ergebnis ist festzuhalten, das BAG bestätigt und festigt die bereits weit verbreitete Praxis, durch Entleihertarifvertrag von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer abzuweichen und schränkt diese kleine verbliebene Freiheit nicht anhand formaler Aspekte ein.

Christiane Höppner

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Arbeitsrecht

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